20.11.2025
Der 9. Fachplanertag „Barrierefreies Planen und Bauen IngKH“ fand am 20. November 2025 in der Geschäftsstelle der Ingenieurkammer Hessen statt. Fachleute aus Architektur, Ingenieurwesen und Baupraxis tauschten sich über aktuelle Entwicklungen und Anforderungen im barrierefreien Planen und Bauen aus.
Zu Beginn begrüßte Dipl.-Ing. (FH) Peter Starfinger, Geschäftsführer der Ingenieurkammer Hessen, die Teilnehmenden. Er hob hervor, dass sich die Ingenieurkammer seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Barrierefreiheit befasst und hierzu verschiedene Fortbildungs- und Austauschformate entwickelt hat, darunter die Fachgruppe Barrierefreiheit.
In einem digitalen Grußwort betonte Andreas Winkel, Beauftragter der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, die Bedeutung frühzeitiger barrierefreier Planung. Er stellte klar, dass Barrierefreiheit eine grundlegende Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist und zugleich ein Qualitätsmerkmal darstellt, von dem alle Menschen profitieren. Hindernisse im Wohnraum führen häufig zu Ausgrenzung und ließen sich durch vorausschauende Planung vermeiden.
Auch Dipl.-Ing. Maynard Schwarz, Vorsitzender der Fachgruppe Barrierefreiheit, begrüßte die Anwesenden und unterstrich die Bedeutung des persönlichen Austauschs. Künftig sollen die Fachplanertage wieder als Hybridveranstaltungen stattfinden, um mehr Teilnehmenden die Mitwirkung zu ermöglichen.
Schwellen und Abdichtung im Fokus
Den ersten Fachvortrag hielt Hendrik Maletzki, B. Eng., Sopro Bauchemie GmbH. Er erläuterte die Anforderungen der DIN 18534 zur Abdichtung von Innenräumen im Zusammenhang mit der DIN 18040 und zeigte anhand von Praxisbeispielen die Herausforderungen im Übergang zwischen Trocken- und Nassräumen.
Maletzki stellte dar, dass Barrierefreiheit sowohl die Bewegung von Menschen als auch die sichere Ableitung von Wasser berücksichtigen muss. Während die DIN 18534 wannenförmige Abdichtungen und Schwellen empfiehlt, verlangt die DIN 18040 schwellenlose Übergänge. Um beide Anforderungen zu verbinden, zeigte er individuelle Lösungen, wie beispielsweise leicht geneigte Fliesen oder kleine Rampen. Anhand verschiedener Ausführungen aus der Praxis verdeutlichte er, welche Schwellenausführungen normgerecht und gleichzeitig nutzerfreundlich umgesetzt werden.
Bericht aus der Fachgruppe
Im Anschluss berichtete Dipl.-Ing. Maynard Schwarz über die Arbeit der Fachgruppe im Jahr 2025. Ein zentrales Thema war der wachsende Bedarf an barrierefreien Wohnungen, der durch den demografischen Wandel weiter zunimmt. Schwarz erläuterte, dass barrierefreie Grundrisse im Neubau nur geringe Mehrkosten verursachen, eine Nachrüstung im Bestand jedoch oft technisch kaum möglich oder sehr teuer sei.
Er betonte, dass frühzeitige Barrierefreiheit nicht nur soziale, sondern auch volkswirtschaftliche Vorteile mit sich bringt: Menschen können länger in ihren eigenen Wohnungen leben, was Pflegekosten reduziert. Schwarz verwies zudem auf die zunehmende Relevanz der Frage „Aufzug oder Auszug“, da nachträgliche Aufzüge häufig kaum realisierbar seien.
Schwarz kritisierte bezogen auf die Novellierung der Hessischen Bauordnung (HBO), die geplante Ausnahme von der Aufzugspflicht für Gebäude, die erst durch Aufstockungen oder Umbauten die 13-Meter-Grenze überschreiten. Technisch sei eine spätere Aufzugsnachrüstung oft nur mit sehr hohem Aufwand möglich.
Neuerungen im Bauordnungsrecht und Aktionsplan UN-BRK
Jule Heer, Referentin für Bautechnik im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum, informierte über das Baupaket I sowie den Stand der Beratungen zu Baupaket II. Sie erläuterte unter anderem Schwellenwerte und Ausnahmen für barrierefreie Wohnungen sowie die Frage, wie Barrierefreiheit im Neubau verbindlicher verankert werden kann.
Ein weiterer Schwerpunkt ihres Vortrags war der Hessische Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Die Landesregierung arbeitet derzeit an einer Überarbeitung des Aktionsplans. Ein Bilanzierungstreffen im November 2025 eröffnete diesen Prozess. Heer machte deutlich, dass der Bedarf an barrierefreien Wohnungen in Hessen weiter steigen wird. Anwendungshinweise zur HBO-Novellierung sind über die H-VVTB abrufbar.
Barrierefreie Badezimmer
Anschließend stellte Dirk Dietz-Jürgens, Fachreferent bei NORMBAU, praxisnahe Lösungen zur barrierefreien Badgestaltung vor. Das Unternehmen entwickelt Ausstattung in den Bereichen Stützen, Halten, Sitzen und Trennwandtechnik. Dietz-Jürgens erläuterte die Anforderungen der DIN 18040-2 und ging darauf ein, dass Bewegungsflächen für Rollstuhl- und Rollatornutzer häufig knapp bemessen sind.
Er regte eine ergänzende Betrachtung an, die er als DIN 18040-2 „P“ bezeichnet, bei der zusätzliche Flächen für Assistenz und Pflege mitgedacht werden. Einfache Mittel wie Duschvorhänge könnten Sicherheit, Bewegungsfreiheit und Assistenz deutlich erleichtern. Zudem sei die kontrastreiche Gestaltung von Griffen und Bedienelementen für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen essenziell.
Neuer Evakuierungsaufzug DIN EN 81-76
Zum Abschluss stellte Dipl.-Ing. Maynard Schwarz die neue europäische Norm DIN EN 81-76 zu Evakuierungsaufzügen vor. Diese soll künftig die selbstständige Flucht von Menschen mit Behinderungen unterstützen, wie es auch in der DIN EN 17210 und der kommenden DIN 18040 vorgesehen ist.
Schwarz erläuterte, dass es keine einheitliche europäische Lösung gibt, sondern zahlreiche technische und organisatorische Varianten. Die Gestaltung der sicheren Bereiche, in denen Personen im Brandfall auf den Aufzug warten können, ist nicht Teil der Norm und muss individuell geplant werden. Die nationale Veröffentlichung der Norm steht kurz bevor; eine EU-Zitierung wird Anfang 2026 erwartet.
Der Fachplanertag endete mit einem Dank an alle Referierenden und Teilnehmenden. Die Veranstaltung zeigte erneut, zeigte erneut, wie wichtig der fachübergreifende Austausch für die Planung inklusiver und zukunftsfähiger Gebäude ist.